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Ein Verfassungsschützer berichtet über Missstände, Bürokratie, Arbeit mit V-Leuten – und verrät, warum die Behörde nun Leute ins Visier nimmt, die bislang als harmlos galten.Gregor S. wollte Schaden vom Land abwenden. Er wollte die Bundesrepublik beschützen vor Rechts- und Linksextremen, vor Islamisten. In der Arbeit beim Verfassungsschutz, dem „Frühwarnsystem der Demokratie“, sah er seine Berufung.
Doch nun hat ihn der Nachrichtendienst selbst zum Risiko erklärt. Das Drama nahm seinen Lauf, nachdem er Missstände in der Behörde angesprochen hatte.Das Treffen findet im Osten Berlins in einer Wohnung mit seiner Anwältin Christiane Meusel statt. Sein Name ist der Redaktion bekannt. Doch wegen der Umstände wählte er das Pseudonym Gregor S. – nach einer Figur aus einer Erzählung von Franz Kafka.
Gregor S. war bei der Bundeswehr, dann beim Verfassungsschutz in Hessen. Er schloss ein Studium beim Bundesamt für Verfassungsschutz als Verwaltungswirt ab und wechselte 2022 zum Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) nach Sachsen.
Dort arbeitete er in der Abteilung „Beschaffung“, eben jenem Ressort, das Informationen beschafft. Er führte Vertrauenspersonen (VP) als menschliche Quellen. Dabei fiel ihm manche Absonderlichkeit auf. Etwa, dass die Fahrzeuge des sächsischen Verfassungsschutzes auf das Innenministerium angemeldet seien. „Über eine Halterabfrage kann jeder herausfinden, auf wen die Autos der verdeckt operierenden Mitarbeiter gemeldet sind. Dann ist die Tarnung weg, das kann gefährlich werden, wenn die Antifa, Neonazis oder islamistische Gefährder herausfinden, wer zum Verfassungsschutz gehört, weil er an oder in einem unserer Autos gesehen wurde“, sagt Gregor S.
Er erzählt, dass der Verfassungsschutz auch keine unregistrierten SIM-Karten für seine Telefone habe – weder für VP-Führer wie ihn noch für seine Vertrauenspersonen. „Damit kann jede Stelle, die die Möglichkeit hat – nicht nur die Polizei, sondern auch ein Telekommunikationsunternehmen –, nachvollziehen, wer der Besitzer ist“, sagt er. „Und das kann, wie bei der Sache mit den Nummernschildern, ebenfalls unschön werden.“ Diese Probleme gebe es auch in anderen Bundesländern, ist er sich sicher.
Schlecht ist nach seiner Darstellung auch der Schutz der Mitarbeiter draußen organisiert: Er sei schon bei einem Treffen mit einer Quelle gewesen, wo die Umstände unklar waren. Deshalb habe er ein Schutzteam angefordert. „Dafür muss man Anträge schreiben, die genehmigt werden müssen. Das dauert.“ Um die Bürokratie zu meiden, würden manche Kollegen auf ein Schutzteam verzichten und ein hohes Risiko eingehen. „Andere dagegen machen Dienst nach Vorschrift, mit den entsprechenden Folgen.“
„Es gibt viele Probleme und Forderungen im Beschaffungsbereich und bei der VP-Führung“, sagt er. Diensterfahrene Kollegen hätten ihm ihr Leid geklagt. Probleme seien bei der Personalversammlung offen angesprochen worden, aber von der Leitung ignoriert worden. Das Arbeitsumfeld bezeichnet er als unprofessionell, sodass der Dienst seine Aufgabe nicht erfüllen könne.
„Deshalb kann der Verfassungsschutz die gewaltbereiten Strukturen im Islamismus, bei Links- und Rechtsextremisten nicht in der Tiefe durchdringen und dort Informanten gewinnen, sondern kratzt an der Oberfläche“, meint er. „Auch deshalb kümmert er sich immer mehr um Leute, die bisher kein Fall für ihn waren“, behauptet er. Dafür gebe es die neue Extremismus-Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.
Gregor S. sagt: „Das ist die Blaupause für uferlose Überwachung von allen, die Kritik äußern.“ Von einer Behörde mit Sicherheitsaufgaben habe sich der Verfassungsschutz zu einer politischen Narrativ-Schreibwerkstatt entwickelt. „Schwammige Worthülsen würden dazu genutzt Personen in bestimmte Bereiche zu schreiben. Das hat mehr mit Interpretation zu tun als mit belastbaren justiziablen Fakten.“
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