https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2024/wegen-tik-tok-hashtag-hausdurchsuchung-bei-minderjaehrigem-in-bayern/Ein 14jähriger nutzt auf TikTok den Spruch „Alles für Deutschland“. Seine Familie kassiert dafür am Nikolaustag in aller Frühe eine Hausdurchsuchung. Die JUNGE FREIHEIT kennt die Akten. Ist das noch verhältnismäßig?
Am 6. Dezember klingelt es in aller Herrgottsfrühe an der Tür. Doch es ist nicht der heilige Nikolaus und die Bewohner bekommen keine Leckereien überreicht – die zwei ungebetenen Gäste sind Beamte der bayerischen Kriminalpolizei. Hausdurchsuchung. Der Beschuldigte ist 15 Jahre alt. Hat er jemanden umgebracht? Ausgeraubt? Mit Drogen gehandelt? Nicht ganz. Julian L. (Name geändert) soll verbotene Dinge im Internet geschrieben haben.
Der Beschluß der Münchener Staatsanwaltschaft, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, schildert die Vorwürfe gegen L. Er habe im November 2023 auf seinem TikTok-Kanal „deutscher.patriot1161“ zweimal den Hashtag „AllesfürDeutschland“ genutzt. Die Justiz sieht hier einen Verdacht für die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die SA-Losung zu verbreiten, ist strafbar nach Paragraph 86a des Strafgesetzbuchs, Erwachsene können dafür bis zu drei Jahre Knast kassieren. Zuletzt wurde der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wegen Nutzung der Parole in zwei Prozessen zu Geldstrafen verurteilt.
Justiz verteidigt Hausdurchsuchung
Weiter heißt es in dem Schreiben: „Der Beschuldigte verfügte zu den jeweiligen Tatzeitpunkten über die erforderliche Reife, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“ Die angeordnete Hausdurchsuchung stehe „in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat“.
Der Betroffene hat daran Zweifel. Die Polizisten hätten nicht nur ihn, sondern auch seinen im Durchsuchungsbeschluß überhaupt nicht erwähnten 16jährigen Bruder befragt. L. betont, weder er noch sein Bruder hätten in der Vergangenheit Konflikte mit dem Gesetz gehabt, der ältere der Beiden ist seit Oktober dieses Jahres CSU-Mitglied.
Auch erklärt L. seinen provokant anmutenden TikTok-Namen „deutscher.patriot1161“. Die Zahlenfolge steht für den Code „AAFA“, also „Anti Antifa“. Damit sei keine generelle Ablehnung von sogenannten Antifaschisten gemeint, „sondern eine Kritik an den Methoden, die von einigen sogenannten ‘Antifas’ angewandt werden, die ich als faschistisch empfinde“, sagt L. der JUNGEN FREIHEIT. Immer wieder macht die linksextreme Antifa mit schwersten Verbrechen auf sich aufmerksam. Zuletzt etwa die sogenannte Hammerbande, die echte und vermeintliche Rechtsextremisten brutal überfiel und folterte.
„Bevor man sowas postet, googelt man das“, sagt der Polizist
Die Beamten seien nach erfolgloser Sichtung seines Telefons zum Schluß gekommen, nicht der Beschuldigte L., sondern sein Bruder sei der Betreiber des TikTok-Kanals. „Die Polizisten haben unter anderem Fotos von Daten wie Telefonnummern, E-Mail-Adressen aber auch von meinem Zimmer oder von Büchern, die mein Bruder und ich besitzen, gemacht. Darüber hinaus wurde das Handy meines Bruders bis auf Weiteres beschlagnahmt“, erzählt L. der JF.
Die beiden Polizisten seien „neutral“ und „nicht besonders aggressiv“ gewesen, beschreibt L., der zum Tatzeitpunkt 14 Jahre alt war, die Situation. Auf seine Behauptung, er habe nicht gewußt, daß „Alles für Deutschland“ verboten sei, soll ein Beamter gesagt haben: „Bevor man sowas postet, googelt man das.“
Seltsame Prioritäten
Ist angesichts des Alters des Beschuldigten die Verhältnismäßigkeit gewahrt worden? Ist es wirklich sinnvoll, minderjährige vor Gericht zu zerren? Und wieso beschlagnahmt die Polizei das Handy von jemandem, gegen den gar nicht ermittelt wird? Zu all dem will die Staatsanwaltschaft keine Auskunft geben. Eine Sprecherin der Behörde bestätigt das laufende Verfahren und die Durchsuchung. Aber: „Insbesondere auch wegen des jugendlichen Alters des Beschuldigten“, könne sie keine weiteren Angaben zu dem Fall machen.