RESET – die Kolumne zum Wochenende: Karl Lauterbach oder: in sieben Schritten zum Infektions-Influencer
Karl Lauterbach oder: in sieben Schritten zum Infektions-Influencer
Die SPD muss aufpassen, dass ihr „Gesundheitsexperte“ nicht aus dem Ruder läuft, warnt Thomas Tuma. Über moderne Medienökonomie kann man trotzdem viel von dem Mediziner lernen.
22.01.2021 - 09:59 Uhr Kommentieren
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Reset-Kolumne Karl Lauterbach ist zum hauptberuflichen Apokalyptiker mutiert.
Jede Nation hat die Fachleute, die sie verdient. Deutschland hat seit Corona Karl Lauterbach, der in den Medien gern als „SPD-Gesundheitsexperte“ etikettiert wird. Eigentlich ist er eher Ungesundheits-Experte, denn für den Mann mit der Attitüde eines pietistischen Erweckungspredigers sind wir seit Corona alle nur noch potenzielle Patienten und also mögliche Todesopfer. So ist er als hauptberuflicher Apokalyptiker mittlerweile überall.
Es ist jetzt genau ein Jahr her, dass Corona in Deutschland ankam: Bei dem bayerischen Autozulieferer Webasto wurde am 27. Januar 2020 der erste hiesige Fall aktenkundig.
Seither ist viel passiert: Rund 50.000 Menschen starben allein in Deutschland an, mit oder wenigstens irgendwie in der Nähe von Corona beziehungsweise hatten schon mal was von dem Virus gehört. Die größten Volkswirtschaften der Welt wurden ins Koma versetzt, komplette Branchen stillgelegt, Billionen von Euro, Dollar und Yen in Rettungsprogramme gepumpt.
Und wenn wir uns jetzt fragen, wer das deutsche Gesicht dieser Krise geworden ist, dann fällt uns womöglich zuallererst nicht Angela Merkel ein oder Jens Spahn, ja nicht mal Christian Drosten, sondern? Genau! Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Karl Lauterbach kürzlich vorgerechnet, dass er im vergangenen Jahr in mehr Talkshows saß als alle anderen Promis, 18 Mal allein bei Markus Lanz.
Themen des Artikels
Das ist ein großer Triumph für den Spross einer Arbeiterfamilie aus Düren, der vor nicht allzu langer Zeit noch sehr erfolglos versuchte, SPD-Vorsitzender zu werden. Aber Lauterbachs Aufstieg verrät eben auch viel über die Mechanismen einer modernen Medienökonomie, in der kurzfristiger Effekt und dauerhafte Präsenz meist vor Inhalt gehen. Oder anders: Wer immer da ist, kann irgendwann sagen, was er will. Allein die Bekanntheit nährt dann die Bekanntheit.
Schritt 1, den man für einen Aufstieg zur Mediengröße weiterhin nicht unterschätzen sollte: eine anständige Ausbildung. Lauterbach hat über zehn Jahre lang Medizin studiert. Offiziell leitet er heute an der Uniklinik Köln das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie. Dort ist er zwar seit 15 Jahren wegen seiner Parteiarbeit beurlaubt, für die aufgrund seiner Corona-Auftritte nun auch keine Zeit mehr ist. Aber mit Viren oder Pandemien hatten er und das Institut eh nie viel zu tun.
Im vergangenen Jahr saß Lauterbachs frühere Frau selbst mal in einer Talkshow: Angela Spelsberg ist auch Ärztin. Sie sieht nicht nur Corona ganz anders (weit weniger gefährlich). Als sie auf ihren Ex-Mann angesprochen wurde, lächelte sie schmallippig: „Ich bin Wissenschaftlerin und Epidemiologin, keine Politikerin“ – womit sie klarmachte, für was sie Karl Lauterbach eben alles nicht hält.
Ein Lächeln wie Hannibal Lecter
Egal, denn der hat irgendwann auch Karriereregel 2 beherzigt: Entscheide dich für ein Sujet und dort auch gleich für einen monolithischen Standpunkt! Anfangs musste Lauterbach über alles reden, womit man in der SPD Fleißpunkte sammeln kann, aber sicher keine Follower: von Beitragsbemessungsgrenzen bis zur evidenzbasierten Kosteneffektivität im Gesundheitswesen. Mit Corona hat er sich für die weitaus glamourösere Abteilung Weltuntergang entschieden.
Karl Lauterbach oder: in sieben Schritten zum Infektions-Influencer
Die SPD muss aufpassen, dass ihr „Gesundheitsexperte“ nicht aus dem Ruder läuft, warnt Thomas Tuma. Über moderne Medienökonomie kann man trotzdem viel von dem Mediziner lernen.
22.01.2021 - 09:59 Uhr Kommentieren
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Reset-Kolumne Karl Lauterbach ist zum hauptberuflichen Apokalyptiker mutiert.
Jede Nation hat die Fachleute, die sie verdient. Deutschland hat seit Corona Karl Lauterbach, der in den Medien gern als „SPD-Gesundheitsexperte“ etikettiert wird. Eigentlich ist er eher Ungesundheits-Experte, denn für den Mann mit der Attitüde eines pietistischen Erweckungspredigers sind wir seit Corona alle nur noch potenzielle Patienten und also mögliche Todesopfer. So ist er als hauptberuflicher Apokalyptiker mittlerweile überall.
Es ist jetzt genau ein Jahr her, dass Corona in Deutschland ankam: Bei dem bayerischen Autozulieferer Webasto wurde am 27. Januar 2020 der erste hiesige Fall aktenkundig.
Seither ist viel passiert: Rund 50.000 Menschen starben allein in Deutschland an, mit oder wenigstens irgendwie in der Nähe von Corona beziehungsweise hatten schon mal was von dem Virus gehört. Die größten Volkswirtschaften der Welt wurden ins Koma versetzt, komplette Branchen stillgelegt, Billionen von Euro, Dollar und Yen in Rettungsprogramme gepumpt.
Und wenn wir uns jetzt fragen, wer das deutsche Gesicht dieser Krise geworden ist, dann fällt uns womöglich zuallererst nicht Angela Merkel ein oder Jens Spahn, ja nicht mal Christian Drosten, sondern? Genau! Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Karl Lauterbach kürzlich vorgerechnet, dass er im vergangenen Jahr in mehr Talkshows saß als alle anderen Promis, 18 Mal allein bei Markus Lanz.
Themen des Artikels
Das ist ein großer Triumph für den Spross einer Arbeiterfamilie aus Düren, der vor nicht allzu langer Zeit noch sehr erfolglos versuchte, SPD-Vorsitzender zu werden. Aber Lauterbachs Aufstieg verrät eben auch viel über die Mechanismen einer modernen Medienökonomie, in der kurzfristiger Effekt und dauerhafte Präsenz meist vor Inhalt gehen. Oder anders: Wer immer da ist, kann irgendwann sagen, was er will. Allein die Bekanntheit nährt dann die Bekanntheit.
Schritt 1, den man für einen Aufstieg zur Mediengröße weiterhin nicht unterschätzen sollte: eine anständige Ausbildung. Lauterbach hat über zehn Jahre lang Medizin studiert. Offiziell leitet er heute an der Uniklinik Köln das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie. Dort ist er zwar seit 15 Jahren wegen seiner Parteiarbeit beurlaubt, für die aufgrund seiner Corona-Auftritte nun auch keine Zeit mehr ist. Aber mit Viren oder Pandemien hatten er und das Institut eh nie viel zu tun.
Im vergangenen Jahr saß Lauterbachs frühere Frau selbst mal in einer Talkshow: Angela Spelsberg ist auch Ärztin. Sie sieht nicht nur Corona ganz anders (weit weniger gefährlich). Als sie auf ihren Ex-Mann angesprochen wurde, lächelte sie schmallippig: „Ich bin Wissenschaftlerin und Epidemiologin, keine Politikerin“ – womit sie klarmachte, für was sie Karl Lauterbach eben alles nicht hält.
Ein Lächeln wie Hannibal Lecter
Egal, denn der hat irgendwann auch Karriereregel 2 beherzigt: Entscheide dich für ein Sujet und dort auch gleich für einen monolithischen Standpunkt! Anfangs musste Lauterbach über alles reden, womit man in der SPD Fleißpunkte sammeln kann, aber sicher keine Follower: von Beitragsbemessungsgrenzen bis zur evidenzbasierten Kosteneffektivität im Gesundheitswesen. Mit Corona hat er sich für die weitaus glamourösere Abteilung Weltuntergang entschieden.