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Zwei Faktoren waren dafür entscheidend: Langfristig beflügelte die gelockerte Sexualmoral der Weimar-Ära Fromms Geschäft, kurzfristig tat es der ihr vorausgehende Krieg.
An der West- wie an der Ostfront breiteten sich ab 1914 im Kaiserheer rasant Geschlechtskrankheiten aus. Um die unkontrollierte Prostitution und mit ihr die Truppengesundheit in den Griff zu bekommen, ließ die Heeresführung überwachte Soldatenbordelle einrichten. Wer sie besuchte, bekam ein Kondom ausgehändigt, dessen Benutzung Pflicht war. Unter den Soldaten sprach sich schnell herum, dass die neuartigen Präventionsmittel nicht nur vor Krankheiten, sondern auch vor ungewollten Schwangerschaften schützten, weshalb viele Kriegsheimkehrer, die an der Front zum ersten Mal mit Präservativen in Kontakt gekommen waren, sie fortan auch im Ehebett nutzten.
Rasanter noch als die Syphilis breitete sich so in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs der revolutionäre Gedanke der Familienplanung aus.Der jedoch war im Deutschland der Nachkriegsära als Werbebotschaft noch tabu. Nicht nur die Kirchen, auch Teile des Weimarer Verwaltungsapparats fanden den verhütungsbedingten Rückgang der deutschen Geburtenraten beängstigend. Propagieren durfte Fromm deshalb vorerst nur den gesundheitlichen Schutz, den seine Präservative boten, nicht ihre empfängnisverhindernde Wirkung. [...]
Bereits 1919 produzierte Fromm in seiner Hinterhofwerkstatt bis zu 150 000 Präservative am Tag, und der drei Jahre zuvor eingeführte
Markenname „Fromms Act“, der vage nach Internationalität und Erotik klingen sollte, war bald so populär, dass sich Fromm die Produktwerbung sparen konnte: Der Volksmund machte das Wort „Frommser“ zum Synonym für Kondome [...].
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Schon 1933 aber wollte das neue Regime ihn rückwirkend wieder ausbürgern. Fromm, der mit seiner Familie inzwischen in einer Villa am Schlachtensee lebte, versuchte den Entzug der Staatsbürgerschaft mit einer Stellungnahme abzuwenden, aus deren anbiederndem Ton Verzweiflung spricht:
„So konnte ich durch meine deutsche Artung und meinen deutschen Fleiß sauber und ehrlich einer der größten Steuerzahler meines Wohnbezirkes Zehlendorf-Schlachtensee werden“, schrieb Fromm. „Das ist meine deutsche Lebensarbeit!“[…]
Erst als 1936 im Antisemiten-Blatt „Der Stürmer“ ein Hetzartikel gegen „die Judenfirma Fromms Gummiwaren“ erschien, begriff Fromm, dass der Wind sich endgültig drehte.
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Auf dem ehemaligen Grundstück der Mulackstraße 9, wo der Pionier der modernen Empfängnisverhütung aufwuchs, befindet sich heute, Ironie des Schicksals, ein Kinderspielplatz.“
Quelle