Büroleiter Hoffmann berichtet wieder aus LondonEine Klarstellung zum Anfang: Es gibt immer wieder Kritik an Julian Assange als Person und zu seinen Aussagen. Daraus ziehen einige Menschen die Schlussfolgerung, dass es verwerflich sei, das Verfahren kritisch zu begleiten und Öffentlichkeit für den Sachverhalt zu schaffen. Hier geht es aber nicht um eine inhaltliche oder charakterliche Bewertung der Person Assange, es geht um die Garantie eines rechtsstaatlichen Verfahrens und die Sicherung der Pressefreiheit. Julian Assange soll ausgeliefert werden, weil er Dokumente veröffentlicht hat, die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen dokumentieren. Was bedeutet es für die Zukunft unserer Demokratie, wenn Journalisten mit lebenslanger Haft rechnen müssen, wenn sie Fehlverhalten von Regierungen aufdecken? Auch deswegen setzen sich Organisationen wie Reporter ohne Grenzen für den Fall ein (Pressemitteilung). Oder wie die New York Times schreibt: “Mr. Assange ist kein Held. Aber dieser Fall stellt jetzt eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit und damit die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Demokratie selbst dar.” (Zitat übersetzt – Original)Und solange Großbritannien an der Entscheidung beteiligt ist, betrifft es die Demokratie in Europa gleichermaßen. Darum geht es in diesem Fall und um nichts Anderes.Nun geht weiter im Verfahren: Nach den Anhörungen im Februar (Hintergrund) war der Termin der Hauptverhandlung eigentlich für den Mai angesetzt, diese ist an der Corona-Pandemie gescheitert. Morgen beginnt diese Hauptverhandlung endlich. Julian Assange ist weiterhin im Belmarsh Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert, dieses Mal wird aber nicht dort verhandelt, die Verhandlung wurde in das höchste Strafgericht des Landes verlegt – den Central Criminal Court (Old Bailey) im Zentrum Londons. MediaEingang zum Central Criminal Court in LondonDas größere Gebäude wurde eigentlich wegen des großen Andrangs ausgewählt, aber wegen den Behörden nach sei der Platz durch die Corona-Abstandsregeln so eingeschränkt, dass nicht einmal ein Sitz für NGO Prozessbeobachter wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen garantiert werden könne.Ich hingegen habe Glück, mir wurde ein Platz zugesichert, sodass ich die nächsten drei bis vier Wochen von der Verhandlung berichten kann. Während im Februar lediglich juristische Argumente ausgetauscht wurden, werden nun Experten und Zeugen geladen, die von Anklage und Verteidigung befragt werden können.Die USA wollen Assange für die Veröffentlichung von sensiblen Regierungsdokumenten auf WikiLeaks anklagen. Grundlage dafür ist eine Spionagegesetz von 1917. Im Falle einer Auslieferung wird sein Fall vor dem „National Security“-Gericht in East Virginia verhandelt – dort konnte sich bisher kein Angeklagter erfolgreich verteidigen, sobald eine Gefährdung der nationalen Sicherheit angenommen wurde. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm 175 Jahre Haft.Um die Auslieferung abzuwenden wird die Verteidigung sich wahrscheinlich auf fünf Punkte berufen:Eine Auslieferung aus politischen Motiven ist rechtswidrig. Der US-Regierung wird vorgeworfen, aus solchen Motiven zu handeln.Eine Auslieferung würde gegen Menschenrechte – insbesondere das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren verstoßen. Dabei geht es unter anderem darum, dass Assange während seines Asyls in der Botschaft von Ecuador massiv überwacht wurde. Die für das Gebäude verantwortliche Sicherheitsfirma hat Mikrofone und verstecke Kameras installiert und Treffen mit Anwälten, Ärzten und seiner Partnerin penibel überwacht. Geleakte Unterlagen legen nahe, dass dies im Auftrag der US-Regierung geschah.…