Leserzuschrift
Liebe Eva, lieber Andreas,
wir verfolgen euren Kanal nun schon lange und regelmässig. "Stabil durch den Wandel" ist für uns ein regelmässiger Begleiter in diesen unruhigen Zeiten.
Nun ist es so, dass eine der Messerstecher-Gewalttaten über unsere Tochter direkt in unsere Familie getragen wurde. Und dies macht den entscheidenden Unterschied für uns aus. Plötzlich waren wir mitten in diesem Geschehen drin:
Unsere Tochter (17) ist mit ihrem Freund und mehreren anderen Freunden letzte Woche Samstagnacht in der Altstadt unterwegs gewesen. Sie wurden von zwei gebrochen deutsch sprechenden, ausländisch aussehenden Männern eingeholt und bedrängt. Unsere Tochter wurde sexuell verbal angegangen. Sie wehrte sich verbal. Ihr Freund kam zu Hilfe.
Es gab eine Rangelei. Ein Messer wurde gezogen. Unsere Tochter bekam einen Schlag auf den Kopf und wurde bewusstlos. Ihr Freund wurde in den Rücken gestochen, das Messer drang in die Lunge ein nicht weit des Herzens.
Ein weiterer Freund bekam einen Stich in den Hals, einen halben Zentimeter neben der Halsschlagader.
Der Dritte bekam drei Stiche in den Bauchraum, davon einen in die Leber, in die Innereien und einen Nähe seines Herzens in die Lunge.
Alle drei jungen Männer kamen schwerstverletzt in umliegende Krankenhäuser, einer musste notoperiert werden und hat nur knapp überlebt.
Unsere Tochter hat ein Schädelhirntrauma, Amnesie und ist schwer traumatisiert.
Die zwei anderen Mädchen blieben zum Glück soweit unverletzt.
Alle sechs jungen Menschen werden diese Bilder und die Situation nun ein Leben lang mit sich tragen müssen.
Die Täter sind entkommen, wurden aber vor zwei Tagen zum Glück gefasst. Ein Albaner und ein Makedonier. Und morgen, am Samstag gibt es in dieser Altstadt die "Demo gegen Rechts". Die darf ja anscheinend nach einem Messergesteche nicht fehlen…
Immer haben wir uns vorgestellt, wie sich die Angehörigen eines solchen Anschlags fühlen müssen, wenn danach diese Demos stattfinden. Jetzt, als selbst Betroffene, kann man das Gefühl gar nicht mehr beschreiben. Jetzt wissen wir es. Es ist irgendwie nur noch schlimm, traurig und unverständlich. Und es bleibt eine sehr grosse Wut.
An dem Ort der Bluttat steht ein kleines Schild - siehe Anhang. Darauf steht: "Für Frieden und Schutz unserer Kinder". Ganz einfache Worte und doch so wesentlich für eine friedliche Zukunft. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein für diese Worte laut zu werden. Sie durch die Stadt zu rufen. Doch es bleibt abgesehen von der Betroffenheit der Mitbürger, seltsam ruhig.
Diese Art von Demonstrationen, die nehmen uns den Atem für die Trauer und es fühlt sich für uns befremdlich und absurd an.